Kommentar-Vorschlag zu John Fords Drama
Schade, dass sie eine Hure war ('Tis Pity She's a Whore)

Gliederung

A. Hundert Jahre Vergangenheit

V. Don Giovanni und ANNABELLA

1. Annes Clique

Auch Anne Boleyn brachte keinen männlichen Nachkommen zur Welt. Heinrich VIII. musste handeln und hatte schon Jane Seymour (Anne's lady-in-waiting) im Visier. Diese war aber die Geliebte von Annes Bruder George, [Frenzel, Stoffe 133] königlicher Kammerherr, seit 1525 verheiratet mit Jane Parker und zum Viscount Rochford geadelt. Geplant und geleitet vom des nächst ihm und durch ihn mächtigsten Mannes, Lordkanzler Thomas Cromwell, Earl of Essex, wurden am 30. April und am 2. Mai 1536 die mutmaßlichen Mitglieder von Annes „Clique“ verhaftet und in den Tower in London gebracht, wo sie ständig bespitzelt und verhört wurden. Bei Ernennungen für den Hofstaat hatte Anne Boleyn Protestanten bevorzugt, die zusammen mit ihr ergebenen Anhängern und Familienangehörigen eine eigene Partei innerhalb des Hofstaates bildeten. [bautz.de] Die Verhafteten waren Anne Boleyn, die Königin; Mark Smeaton, ihr Hofmusiker und jahrelanger Freund; Annes Bruder George, Viscount Rochford, Kammerherr des Königs, sowie die Kammerherren Sir Henry Norris (ein enger Vertrauter Annes), Sir Francis Weston, William Brereton und Sir Thomas Wyatt. Sir Thomas Wyatt kam bald frei. Die anderen jedoch wurden vor ein Gericht gebracht, angeklagt und zum Tode verurteilt. Anne und George Boleyn wurden beschuldigt, geschwisterlichen Inzest sowie Ehebruch begangen zu haben, die Höflinge wurden beschuldigt, Ehebruch mit der Königin betrieben zu haben, und alle wurden angeklagt, die Ermordung des Königs geplant zu haben. George, von seiner Frau und von seinem Onkel mütterlicherseits, Thomas Howard, Herzog von Norfolk, (welcher auch das Strafverfahren leitete und Anne als eine „Grande Putaine“ bezeichnete [nndb.com]) als Zeugen schwer belastet, wurde am 17. und Anne durch einen eigens aus Calais angereisten Scharfrichter (Jean Rombaud) am 19. Mai im Tower enthauptet, die übrigen entgingen dem grässlichen Tod durch Erhängen in Tyburn und starben auf die gleiche Weise wie George durch das Beil. (In einem Dorf am gleichnamigen Flüsschen Tyborn, heute ein Teil des Londoner Stadtbezirks City of Westminster, befand sich von 1196 bis 1783 jahrhundertelang Londons wichtigster und berüchtigte Galgenplatz für öffentliche Hinrichtungen. 1571 wurde dort der „Triple Tree“ mit drei Querbalken errichtet, so dass gleichzeitig mehrere Verbrecher erhängt werden konnten.)
(Im gleichen Jahr, am 6. Oktober, wurde der Bibelübersetzer William Tyndale auf dem Scheiterhaufen verbrannt.)

2. Die Ursache für Annes Hinrichtung

Bis heute wird über die wahren Gründe der Ermordung von Anne Boleyn und ihrer (nur männlichen) Vertrauten diskutiert, über ein Unglück, das auch ihre Familie ruinierte. Sie war erst Mitte Dreißig, die Ehe war mit drei Jahren Dauer doch recht kurz trotz der Liebesheirat, wie die zahlreichen Briefe des Königs an sie bezeugen. Vermutlich war es in erster Linie ein dem am französischen Hof üblichen galanten Stil folgendes Verhalten, das viele missverstanden, vergleichbar dem Unmut, den der Bruder des französischen Königs Francoir Hercule de Valois anläßlich seines Eheanbahnungsbesuchs bei der Königin Elisabeth I. in England mit seinen Allüren hervorrief.
(Weitere Theorien „about Anne Boleyn's demise“ enthält [www.ourstory.com].)

3. Anna und Giovanni auf der Opernbühne

a) Wolfgang Amadeus Mozart

Die von Heinrich VIII. inszenierten Prozesse gegen seine Ehefrauen Catarina de Aragón y Castilla (16.12.1435 – 7.1.1536), Tochter von König Ferdinand II. von Aragon und Isabella I. von Kastilien, und Anne Boleyn (sowie gegen deren Bruder und einige Höflinge) hat zusammen mit den protestantischen Reformbewegungen nicht nur in England große Aufmerksamkeit erregt, sondern auch in ganz Europa und wahrscheinlich besonders in Spanien. Denn hier wurde von einem Mercedarier-Mönch mit dem Künstlernamen Tirso Molina (eigentl. Gabriel Téllez; 1585 – 1648) erstmals die alte spanische Volkssage vom Don Juan dramatisiert.
„Juan, Sohn des Admirals Tenorio, ist als Höfling des kastilianischen Königs Pedro I. („Der Grausame“) während dessen Herrschaftszeit (1350 – 1369) an dessen Taten, die zum Gegenstand der abenteuerlichsten und schauerlichsten Erzählungen wurden, beteiligt. Zuletzt soll er versucht haben, eine junge Frau namens Giralda zu verführen, tötet dabei deren Vater, Gouverneur der Stadt Sevilla, und lud die dem Gouverneur errichtete steinerne Statue zum Nachtessen, bei dem sie auch erschien und ihn mit sich in die Hölle nahm.“
„El burlador de Sevilla y convidado de piedra“ (Der Verführer von Sevilla und der steinerne Gast) entstand um 1613, wurde 1624 in Madrid uraufgeführt und erschien 1630 im Druck. Es diente als Vorlage für viele literarische und kompositorische Stücke. Am bekanntesten ist wohl Mozarts Oper „Don Juan“ (spanisch) bzw. „Don Giovanni“ (italienisch) mit Donna Anna als weiblicher Hauptperson. Für sein Libretto übernahm Lorenzo da Ponte einen Text des Italieners Giovanni Bertati (1735 – 1815) und gab seinem Stück den Doppeltitel „Il dissoluto punito“ (Der bestrafte Wüstling). [
Renner 68]

b) Ferruccio Busoni

In seiner Oper „Dr. Faust“ läßt Ferruccio Busoni, 1866 in Empoli bei Florenz geboren, den Doktor Faust bei einem Fest am Hofe des Herzogs in Parma auftreten. „Die Herzogin entbrennt in Liebe zu Faust und wird von ihm entführt. Mephisto in der Gestalt des Hofkaplans verrät dem Herzog die Flucht und veranlaßt ihn zu einer neuen Heirat.“ [Renner 342]

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