Kommentar-Vorschlag zu John Fords Drama
Schade, dass sie eine Hure war ('Tis Pity She's a Whore)

Gliederung

E. Das Universum im Buch

II. Das Buch / the book

FLORIO ist besorgt um die Zukunft seiner beiden Kinder, besonders um seinen Sohn GIOVANNI, dessen Wohl und Wehe an einem Buch zu hängen scheint.

„You see I have but two, a son and her;
And he is so devoted to his book,
As I must tell you true, I doubt his health:
Should he miscarry, all my hopes rely
Upon my girl.“ [I,3,4-8]

Dem Klagen in der Öffentlichkeit entspricht der Zank zwischen Vater und Sohn:

„Son, where have you been? What, alone, alone still, still?
I would not have it so; you must forsake
This over-bookish humour.“ [II,6,113-115]

Mit „book“ könnte allgemein betrachtet nur die Bibel gemeint sein. Nach der Entstehung der ersten Universitäten und mit der Entwicklung der scholastischen Argumentationsmethodik waren es die unbekannten Werke des Aristoteles, die zumeist in Toledo aus dem Arabischen ins Latein übersetzt, Doktrinen der Kirche ins Wanken brachten. Als Schüler des Kirchenlehrers Bonaventura könnte er auch eine von dessen Schriften gelesen haben, dessen Sentenzen oder auch den „Lignum vitae“, aus denen die Lehre von den beiden Büchern hervorgeht. Demnach gibt es ein Buch der Schöpfung und ein Buch der Heiligen Schrift, die als Einheit gesehen werden müssen für die natürliche und übernatürliche Offenbarung. [LexMA 6/1369] In der paradiesischen Unversehrtheit konnte der Mensch in der Schöpfung Gott wie in einem klaren Spiegel erkennen. Der Verlust der Urgerechtigkeit verfinsterte das Herz des Menschen und verdunkelte seinen Verstand. Das Buch der Schöpfung ist nicht mehr lesbar. Das Herz des Menschen muss durch den Glauben gereinigt werden. Der eigentliche Gegenstand der theologischen Reflexion ist die Heilige Schrift, deren Mitte Christus ist, in dem alle Schätze der Weisheit und Wissenschaft verborgen sind. Das Buch der Schrift bedarf wegen seiner Gleichnissprache des Buches der Schöpfung. Das Buch der Schöpfung kann nur durch den vom Glauben gereinigten Verstand gelesen werden.

Vielleicht ging es Giovanni ähnlich wie dem Faustus im „Doctor Faustus“ von Christopher Marlowe (1564 – 1593), „as for many at the time, knowledge was found in books, books that seem to contain forbidden knowledge.“ Zunächst ist ihm Mephostophilis (der das Dunkel Liebende) mit einem „sweet book“ behilflich; im folgenden Dialog mit ihm und auch alsbald vom Chorus sind nur die alten Weisheiten über die ptolemäische Weltordnung zu erfahren:

Learned Faustus,
To find the secrets of astronomy
Graven in the book of Jove's high firmament,
Did mount him up to scale Olympus' top.

Faustus hatte aber nun genug von Büchern und Autoritäten, und er kehrte nach Wittenberg zurück, wo die kopernikanische Theorie zuerst gelehrt wurde. [dartmouth]

Vermutlich war es daher die Schrift „De revolutionibus orbium coelesticum“, welche den Vater so beunruhigte (so wie einst König Claudius und Königin Gertrude der Studienort ihres Sohnes Hamlet); denn „Copernicus's fame and book made its way across Europe over the next fifty years and a second edition was brought out in 1566. Martin Luther stand der neuen Lehre skeptisch gegenüber „because the idea of the heliocentric universe seemed to contradict the Bible“. Andreas Osiander (1498 – 1552), ebenfalls ein einflussreicher Reformator, betrachtete die Lehre als Hypothese, so dass sie von dem Astronomie-Professor Caspar Peucer (1525 – 1602) in seinen Lehrplan aufgenommen werden konnte. „As a result, the University of Wittenberg became a center where Copernicus's work was studied.“ [plato.stanford]

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